Nairy Baghramian
Beliebte Stellen / Privileged Points
2017
Skulptur
Lackierte Bronze, Metall, Zurrkette, Spindelspanner, Gummi
Standort
Vorplatz und Hinterhof des Erbdrostenhofs, Salzstraße 38
Temporäre Aufstellung für die Dauer der Ausstellung
Nairy Baghramian
* 1971 Isfahan, Iran, lebt in Berlin, Deutschland
In komplexen Installationen führt Nairy Baghramian Objekte und Skulpturen zusammen, die unterschiedlichen Genres der Bildhauerei zugeordnet werden können. Ihre Formensprache umfasst fragile, wie aus Handgriffen oder einer zeichnerischen Geste heraus entwickelte Objekte genauso wie Arbeiten, die an Prothesen, Stützen, Brüstungen und Polster erinnern. Obwohl Baghramian sich jeweils präzise auf die architektonische, historische und institutionelle Rahmung der spezifischen Ausstellungssituation bezieht, besitzen ihre Werke eine konzeptuelle Wandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit, mit der die Künstlerin bewusst arbeitet. So kommen beispielsweise bestimmte Werkgruppen häufiger zum Einsatz und laden sich darüber mit einer weiteren Geschichte auf.
Als Standort für ihre Arbeit Beliebte Stellen / Privileged Points wählte Baghramian eine der ersten Adressen in Münster: den Erbdrostenhof (1757 von Johann Conrad Schlaun erbaut). Im Vorhof des Barockpalais platzierte sie eine geschwungene Markierung, die sich aus drei aneinander anschließenden schlanken, dennoch schwergewichtigen, aus Bronze gegossenen Elementen zusammensetzt. Sie wurden mit sichtbaren Klammern verbunden und an wenigen Stellen auf dem Kopfsteinpflaster des Innenhofes abgestützt. Die im Durchschnitt circa fünf Meter messende offene Kreisform war genau von jenen Objektmaßen unterbrochen, mit denen im Bronzegussverfahren ein optimales Ergebnis zu erzielen ist. Auf dem rückwärtigen Hof des Palais (der vom Servatiikirchplatz aus zu erreichen ist) stapelte sich ein Konvolut aus sechs vergleichbaren Teilstücken, aus denen zwei weitere Beliebte Stellen / Privileged Points zusammengesetzt werden konnten.
Mit der Wahl des Standorts stellte sich die Künstlerin bewusst in die Tradition der skulpturalen Positionen von Richard Serra (Trunk – Johann Conrad Schlaun Recomposed, 1987) und Andreas Siekmann (Trickle Down. Der öffentliche Raum im Zeitalter seiner Privatisierung, 2007), die sich anlässlich der Skulptur Projekte eine beziehungsweise drei Dekaden zuvor in den gleichen Ort eingeschrieben haben. Baghramian antizipierte mit ihrem Werk das kulturpolitische Davor und Danach sowie die behauptete Ortsspezifik der vorangegangenen Setzungen, die vor allem im Werk von Serra eine zentrale Rolle spielte. Erst nach der aktuellen Ausstellung, im Fall eines Ankaufs der Arbeit, sollten die Einzelteile der zunächst provisorischen und nur mit einer Vorlackierung versehenen Skulptur verschweißt und das Werk vollendet werden. Baghramian bezog sich konkret auf die Geschichte von Kunst an diesem Ort, aber setzte bewusst keine ortsspezifische Beschränkung, die eine Installation des Werkes in einem anderen städtischen Kontext oder dem einer Sammlung ausschließen würde. Sie war den Diskussionen und der Entscheidung über den Verbleib ihrer Skulptur in Münster einen Schritt voraus – diese waren ihrem Werk immanent.
Nicola Torke
Bilder
Standort
- Noch vorhanden / Öffentliche Sammlung
- Nicht mehr vorhanden
- Im Museum
Weitere Teilnahmen
Weitere Teilnahmen dieses Künstlers: 2007