Justin Matherly

Installationsansicht 2017, Foto: Henning Rogge

Installationsansicht 2017, Foto: Henning Rogge

Nietzsche’s Rock [Nietzsche Felsen]

2017

 

Beton, Glasfaser, medizinische Gehhilfen, Holz, Metall

 

Maße

ca. 350 × 700 × 300 cm

 

Standort

Wiese an der Promenade, Ecke Von Vincke-Straße / Salzstraße

Temporäre Aufstellung für die Dauer der Ausstellung

Justin Matherly

* 1972 New York, lebt in New York

Die visuellen Vorlagen seiner Skulpturen findet Justin Matherly in Büchern und Texten, besonders in denen der klassischen Antike und der Philosophie. Auf sie nimmt er sowohl inhaltlich wie formal Bezug, häufig sogar namentlich in den Werktiteln. Seine porösen, oft gebrochenen skulpturalen Interpretationen aus Beton, Gips und Plastik werden getragen von medizinischen Gehhilfen. Fotografien, die mit den Objekten eng in Verbindung stehen, ergänzen Matherlys Werk.

Wie vom Himmel gefallen wirkte Matherlys Skulptur auf der Grünfläche der Promenade. An mehreren Stellen waren Brüche und Löcher im Material zu sehen. Die Gehhilfen traten mal deutlich hervor, mal verschwanden sie ganz im grauen Material. Als Readymades, Objekte aus dem alltäglichen Leben, übernahmen sie die Funktion des Sockels und waren zugleich selbst Teil der Skulptur. Mit ihnen führte der Künstler ein Maß ein, das eng mit dem menschlichen Körper in Beziehung steht. Einige der Gehböcke dieser Skulptur waren nicht neu und stammten aus der weiteren Umgebung von Münster. Trotz ihrer Massivität strahlte die Skulptur eine Leichtigkeit aus, sie schien über der Erde zu schweben.

Die abstrakt wirkende Form hat einen sehr konkreten Ausgangspunkt: den so genannten Nietzsche-Felsen, benannt nach dem deutschen Philosophen. Der Fels am See von Silvaplana im Oberengadin hat ihn nach eigenen Angaben an einem Augusttag im Jahr 1881 zur Idee der ewigen Wiederkunft des Gleichen angeregt. Diese ist ein Gegenentwurf zur Vorstellung von einem Endzustand, wie sie vor allem die christliche Religion vertritt. Statt dass (Lebens-) Zeit abläuft, bedeutet die ewige Wiederkehr, dass „die ewige Sanduhr des Daseins […] immer wieder umgedreht [wird] – und du mit ihr.“1 In der Monumentalität des Felsens kann man ein Sinnbild für eine solche permanente Wiederholung sehen: Wenn jeder Moment des Lebens ewig von Neuem, wieder und wieder beginnt, dann liegt auf jeder noch so kleinen Handlung ein großes Gewicht. Der Mensch kann sich von diesem Gewicht niederdrücken lassen und jedes moralische Handeln als überflüssig erachten. Oder er bejaht diese permanente Wiederholung und sieht genau darin die Motivation für moralisches Handeln.
Wiederholtes Formen und Abformen, ausgehend von Fotografien des Felsens, prägten den dreiteiligen Entstehungsprozess der Skulptur Matherlys. „Ich spalte Formen in andere Formen auf“, so der Künstler. „Nichts hört jemals wirklich auf“. Keine Kopien von originalen Vorbildern entstehen so, sondern der Status quo einer sich als Objekt gestaltenden Interpretation. Matherly befragt über das Medium der Skulptur die Aktualität unserer philosophischen und ästhetischen Vergangenheit. Statt wie am Silvaplana fest mit dem Untergrund verbunden zu sein, wird das Schwergewicht bei Matherlys Arbeit getragen von Stützen, die eigentlich Schwäche und den Verlust von Mobilität und Selbstständigkeit symbolisieren.

Sophia Trollmann

1 Karl Schlechta (Hg.), Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, Band 2, Hanser, München, 1954. S. 202f.

Bilder

Standort

  • Noch vorhanden / Öffentliche Sammlung
  • Nicht mehr vorhanden
  • Im Museum