Rachel Whiteread

Seit den späten 1980er Jahren arbeitet die britische Künstlerin Rachel Whiteread mit Gips-, Wachs- oder Betonabgüssen von Alltagsgegenständen. Meist entnimmt sie diese dem häuslichen Leben und greift Themen wie Körperlichkeit auf. Am offensichtlichsten wird dieses Vorgehen in der Arbeit House (1993), für die sie einen Betonabguss eines typisch viktorianischen Reihenhauses in einem Arbeiterviertel im Londoner East End anfertigte.
Die für die Skulptur. Projekte in Münster 1997 entstandene Arbeit Untitled (Books) fügt sich fast unbemerkt in die Architektur des Lichthofes im Altbau (1908) des LWL-Museums für Kunst und Kultur. Sie befindet sich auf dem nicht betretbaren Balkon, der ehemaligen Kaiserempore, im zweiten Obergeschoss. Dort installierte die Künstlerin eine in Gips gegossene Bücherwand. Die Arbeit erinnert an das von Whiteread konzipierte Holocaust-Mahnmal (1995/2000) am Wiener Judenplatz: ein monumentaler Betonquader, an dessen Außenseiten ebenfalls Abgüsse von Buchreihen angebracht sind.

Sieben weiße Bücherregale umfassen die Tür, die auf den Balkon führt, wobei die Breite der einzelnen Versatzstücke der Breite der Tür entspricht. Erkennbar sind hier jedoch nicht Bücher, sondern der Negativabdruck der Buchschnitte sowie die Hohlräume zwischen ihnen, der Wand und dem jeweils darüber liegenden Regal.
Die Bücher werden im Produktionsprozess zerstört,¹ die Abdrücke verweisen jedoch auf die vormalige Existenz der abgegossenen Objekte, und die Arbeit fungiert so als eine Art Erinnerungsmoment. Whiteread stellt durch die Wahl des Ortes den Symbolgehalt von Büchern als Wissensspeicher zur Diskussion.

Konstanze Klecha

¹ Vgl. auch Barbara Engelbach, Rachel Whiteread. Untitled (Books), 1997. In: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster (Hg.), Das Kunstwerk des Monats. Dezember 1998, Münster 1998, 2.