Giovanni Anselmo
Verkürzter Himmel
1987
Schriftgravur auf rostfreiem Stahl, verzinkte U-Form, Eisenklammern
140 x 10 x 10 cm
Standort
Aa-Promenade, auf Höhe des Gebäudes Johannisstr. 8–10, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster, permanente Installation
Eigentümer
Leihgabe des Künstlers, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster
Giovanni Anselmo
* 1934 in Borgofranco d’Ivrea, Italien
† 2023 in Turin, Italien
Eine Stele aus blankem Stahl steht aufrecht auf einem kleinen Rasenstück. Sie wird mit groben Klammern in einer starren Balance mit einem im Boden verankerten Eisenelement gehalten. Dass auf der Oberseite der Stele die Worte „Verkürzter Himmel“ eingraviert sind, ist erst aus unmittelbarer Nähe erkennbar. Eine ähnliche Arbeit hatte Giovanni Anselmo bereits 1969/1970 realisiert, damals waren die Worte auf Italienisch eingraviert: „Cielo accorciato.“ Über diese Arbeit sagte er: „Ich wollte das Unendliche menschlicher machen, denn der Himmel beginnt ja nicht in der Stratosphäre, er beginnt auf Erden. So habe ich den Himmel um einen Meter verkürzt. Dass sich die Schrift auf der oberen Schnittfläche befindet und eingraviert ist, hat seine Bedeutung. Ich sage es bewusst bildlich: Der Himmel soll wissen, dass er um einen Meter kürzer ist.”1
Verkürzter Himmel [Cielo accorciato] gehört zu einer Werkgruppe, in der Anselmo durch simpel scheinende Interventionen die Grenzen der Darstellung thematisiert, und sie zugleich auf paradoxe Weise sprengt. „Invisible“ (Unsichtbares) wird sichtbar gemacht, „Tutto“ (Alles) auf einmal gezeigt.2 Hier geschieht allerdings noch mehr: Die Unendlichkeit, die sich über die Stratosphäre hinaus über dem Erdball türmt, wird als Himmel angesprochen und damit der Assoziationsraum aus der rein physikalischen Welt in die der poetischen Metaphern verschoben. Anselmo spricht diesem Himmel sogar ein Bewusstsein zu: „il cielo sappia“ („Der Himmel soll wissen“). Dieser Aspekt erfährt durch die Platzierung der Skulptur direkt neben dem Gebäude der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität eine interessante Weitung. Im Kontext christlicher Theologie betrachtet, entfaltet die Arbeit ein diffus kirchenkritisches Potenzial, das beispielsweise 1987 von den Anhängern der damals aktuellen Befreiungstheologie als Einspruch gegen eine weltabgewandt-idealistische Spiritualität und als Bildargument für eine gesellschaftspolitisch (links-) aktive Kirche gelesen wurde.
Eckhard Kluth
1 „Ho voluto rendere più umano l’infinito; siccome il cielo non comincia nella stratosfera, bensì qui, sulla terra, l’ho accorciato di un po‘. Che la scritta si trovi sulla superficie superiore, e per di più incisa, ha il suo significato: il cielo sappia pure che è stato accorciato!” In: Kunsthalle Basel (Hg.), Ausst.-Kat.: Kunsthalle Basel, Basel 1979, 32. Hier zit. n. Klaus Bußmann und Kasper König (Hg.), Skulptur Projekte in Münster 1987, Ausst.-Kat.: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Köln 1987, 27.
2 Gianfranco Maraniello, Margins of the Infinite. The work of Giovanni Anselmo: Introduction and Exodus. In: Gianfranco Maraniello und Andrea Viliani (Hg.), Giovanni Anselmo, Ausst.-Kat.: Museo d’Arte Moderna di Bologna, Bologna 2007, 205–208.
Standort
- Noch vorhanden / Öffentliche Sammlung
- Nicht mehr vorhanden
- Im Museum