Luciano Fabro

Einen Mund mit der Andeutung einer herausgestreckten Zunge hätte man 1987 in Luciano Fabros Skulptur erkennen können: In ein Stück rötlich-grauen Vulkangesteines schlug der Künstler eine Vertiefung in Form eines Lippenpaares und befestigte auf halber Höhe einer umlaufenden Spalte eine Schlaufe aus dunkler Stahltrosse, die scheinbar aus den Mundwinkeln hing. Seine Arbeit positionierte Fabro mit der Schauseite zum Park am Gartenportal des Schlosses.

Namenspatin war Demeter, die griechische Göttin der Erde und des Ackerbaues, wobei sich der mythologische Bezug nicht auf traditionelle Weise in der Formensprache widerspiegelte. Assoziativ ließen sich Verweise zwischen Titel und Umgebung konstruieren: der botanische Garten als Naturreich der Göttin, das Schloss – Hauptsitz der Universität – als Symbol einer fruchtbaren Wissensvermehrung. Augenscheinlich lassen sich auch Bezüge zu den allegorischen Zierelementen der Schlossfassade herstellen.² Der reduzierte Materialeinsatz und die rätselhafte Kombination von Form und Namen führten zu Spekulationen. Fabro, der häufig in Zusammenhang mit der Arte povera genannt wird, demonstrierte in Münster, wie überraschend banale Motive und Prozesse im Kontext der Kunst Bedeutung erlangen. Demetra scheint vor allem die Gedanken der Betrachtenden kreativ befruchtet zu haben: Ein Fels, ein Seil, ein Titel und ein Ort genügten als subtile Aufforderung, eine Umgebung aufmerksamer zu entdecken und eigene Interpretationsansätze zu formulieren.

Daniel Friedt

¹ San Francisco Museum of Modern Art, „Luciano Fabro, Demetra (Demeter), 1987“. Online unter: www.sfmoma.org/artwork/87.97 (Stand: 1.6.2017).

² Susanne Weirich, „Demetra“. In: Klaus Bußmann und Kasper König (Hg.), Skulptur Projekte in Münster 1987, Ausst.-Kat.: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Köln 1987, 76–78.