Clemens von Wedemeyer

Installationsansicht 2007 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017. Foto: Roman Mensing / artdoc.de

Installationsansicht 2007 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017. Foto: Roman Mensing / artdoc.de

Von Gegenüber

2007

Filminstallation
Dauer: 38:30 Min., 35 mm, Farbe, Ton, Format: 1,66:1

 

Standort

Ehemaliges Kino Metropolis, Berliner Platz nahe dem Hauptbahnhof, temporäre Installation 2007

 

Clemens von Wedemeyer

* 1974 in Göttingen, Deutschland

lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland, und Leipzig, Deutschland

 

Clemens von Wedemeyer nutzte 2007 ein leer stehendes Kino für die Projektion eines Films, den er im Bahnhofsviertel gedreht hatte. Die Arbeit, die aus acht fünfminütigen Plansequenzen montiert wurde, führt ausschnitthaft den fiktiven Tagesablauf eines Wohnungslosen vor.

Aus subjektiver Perspektive wird mit einer dynamischen Kameraführung ein zielloser Rundgang beschrieben, dessen morgendlicher Start- und nächtlicher Endpunkt eine Parkbank bildet. Dazwischen werden Unterführungen und Bahnsteige gekreuzt, Randereignisse registriert und flüchtige Blicke festgehalten. Die Tonspur zeichnet Sicherheitshinweise und Konversationsfetzen auf, die Nebenerzählungen andeuten, welche aber nicht weiter ausgeführt werden. Während Reisende diesen Alltagsort nur transitorisch passieren, scheint das Bahnhofsareal für den namen- und gesichtslosen Protagonisten eine Endstation zu bezeichnen – ein Durchgangsraum als permanenter Aufenthaltsort ohne Aussicht auf Privatsphäre. Der Abspielmodus im Loop verstärkte die Suggestion eines immer gleichen, zirkulären Tagesablaufs, der auch von unerwarteten Ereignissen kaum irritiert wird. Indem die fiktive Figur selbst nicht im Bild ist, sondern nur in dem Blick beziehungsweise dem Wegblicken der Passanten gespiegelt wird, fungiert sie als eine Art Stellvertreter für prekäre Existenzen, die in der Wahrnehmung vieler Menschen Ausblendungsmechanismen unterliegen. Es bleibt in der Schwebe, in welchen Fällen es sich um Unbeteiligte oder um Schauspieler handelt. Wie in vielen Arbeiten thematisiert Clemens von Wedemeyer auch in diesem Film, den ein bedrohliches Moment durchzieht, Aspekte von Sichtbarkeit, Präsenz und Absenz. Dabei verschleift er Dokumentation und Inszenierung untrennbar miteinander.

Ein Gefühl von Unsicherheit, aber auch eine geschärfte Wahrnehmung stellten sich 2007 nach dem Verlassen des Kinos ein. Es vermischten sich cineastische und urbane Räume auf unkonventionelle Weise. Inspiriert wurde Wedemeyer von Dan Grahams Cinema (1981), einem Architekturmodell, in dem mit Hilfe von Spiegeln und Fenstern die Trennung von Außen- und Innenraum, Real- und Projektionsraum zugunsten einer Permeabilität aufgehoben wird.

Andreas Prinzing

Standort

  • Noch vorhanden / Öffentliche Sammlung
  • Nicht mehr vorhanden
  • Im Museum