Nora Schultz

Installationsansicht 2017, Foto: Henning Rogge

Installationsansicht 2017, Foto: Henning Rogge

Pointing their fingers at an unidentified event out of frame [Deuten mit ihren Fingern auf ein unbekanntes Ereignis außerhalb des Rahmens]

2017

 

Installation

Folie, Teppich, 2-Kanal-Videoinstallation mit Ton, Störung in der Anzeigentafel

Integriert in die Installation:

Olle Bærtling, YZI, 1969, Leihgabe vom Skulpturenmuseum Glaskasten Marl

Standort

Foyer des LWL-Museum für Kunst und Kultur

Domplatz 10

 

Temporäre Installation für die Dauer der Ausstellung

 

Nora Schultz

* 1975 in Frankfurt a.M., Deutschland, lebt in Boston, USA

Die künstlerischen Setzungen von Nora Schultz beziehen ihre Spannung aus materialbezogenen Handlungen, Formungsprozessen und den Relationen zueinander. Alltägliche Materialien, Sprache, Schriftsysteme und kulturelle Verschiebungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Rekurs auf den Postminimalismus. In jüngerer Zeit verlagerte sich ihr Fokus über die performative Arbeit mit selbstkonstruierten Druckmaschinen auf die Auseinandersetzung mit den Strukturen des Ausstellungsraumes, auf die sie mit raumgreifenden Installationen reagiert. Mit der Reflexion des architektonischen Rahmens, der die Wahrnehmung von Kunst formatiert, reiht sich ihre Arbeit auch in eine Traditionslinie institutionskritischer Praxis ein.

In Münster bildete die architektonische Inszenierung des Museumsfoyers den Ausgangspunkt von Nora Schultz’ multimedialer Intervention. Der dominante Raumkörper mit seinem repräsentativen Charakter erfuhr in visueller, akustischer und taktiler Hinsicht eine Transformation. Durch die Abdeckung des Oberlichtes mit Folien modulierte sie die Intensität des Lichteinfalls, die Verlegung eines Teppichbodens wirkte schallschluckend. Am Treppenaufgang integrierte sie die Stahlplastik YZI des Künstlers Olle Baertling (1911–1981) aus dem Museum Glaskasten in Marl. Zwei Projektionen zeigten Filmaufnahmen, die mithilfe von GoPro-Kameras und Drohnen vor Ort entstanden. Zudem eignete sich Schultz infrastrukturelle Elemente wie die Infoscreens an, auf denen unvermittelt Filmausschnitte aufflackern. Irritierende, von Soundaufnahmen der unbemannten Fluggeräte stammende Tonspuren durchhallten das Foyer.

Der Eingangsbereich, dem als Rahmungselement des Museumsbesuches zentrale Funktion zukommt, erfuhr durch die Eingriffe eine atmosphärische Umcodierung. Der aufgrund seiner Helligkeit schwer erfassbare, gebäudehohe Raum, der fast virtuell wirkt, wurde in seiner Gestalt zurückhaltender, seine Konturen wurden greifbarer. In den Filmen driften die für den Einsatz im Außenraum konstruierten Fluggeräte in hektischen, instabilen Bewegungen durch dieses Raumgefüge und eröffnen im Wechsel von Mikro- und Makroperspektive alternative Blickwinkel auf seine dominante Struktur. Während die Drohnen die Schwerkraft temporär außer Kraft setzen, wurden sie in Baertlings Werk modellhaft suspendiert. Die 1969 entstandene Plastik, die wie eine Zeichnung im Raum wirkt, artikuliert in ihrer abstrakten Geste ein dynamisches Kraftfeld. Im transitiven, auf eine räumliche Ferne jenseits von Begrenzungen hindeutenden Moment liegen Bedeutung und Potenzial von Baertlings Arbeiten, für die der Begriff der „offenen Form“ zentral ist.
Nora Schultz thematisierte das Museumsfoyer als vielseitigen, skulpturalen Körper – ein negativer Raum, dessen Ränder, aber auch scheinbare Leere modelliert und (um)geformt werden können. Indem der Außenraum in das makellose Foyer getragen wurde, fungierte es auch als eine Art Druckmaschine: Sukzessive prägten die Besucher_innen dem Boden ihre Spuren ein, es entstand ein zufallsbedingtes Muster.

Andreas Prinzing

Bilder

Standort

  • Noch vorhanden / Öffentliche Sammlung
  • Nicht mehr vorhanden
  • Im Museum