Daniel Buren

Für seinen künstlerischen Beitrag zu den Skulptur. Projekten in Münster 1997 ließ sich Daniel Buren durch die Münsteraner Karnevalstradition anregen. Er stieß zufällig auf eine Fotografie des städtischen Festtagsschmuckes und entschied sich daraufhin für die temporäre Aufhängung rot-weiß gestreifter Wimpel, die – genau wie an den Karnevalstagen – über die gesamte Länge des Prinzipalmarktes an langen Schnüren quer über die Straße gespannt wurden. Eine vergleichbare Installation hatte er bereits 1982 im Rahmen der documenta 7 in Kassel realisiert, als er für seine Klanginstallation Wimpel-Text-Musik den Friedrichsplatz mit farbigen Wimpelketten bespielte.

Buren selbst bezeichnete die im Wind flatternde, 3000 Meter lange Wimpelkette als einen „horizontalen, farbigen Schnitt durch den realen Raum“.¹ Durch ihren Ortsbezug erinnerte sie außerhalb der Festsaison an einen Teil der lokalen Geschichte. Dieses Ineinanderblenden von Ereignis und Erinnerung betrachtete Buren als Palimpsest: Seinem Konzept gemäß lud der minimale, von jeder Symbolik befreite Eingriff zu einer bewussten Wahrnehmung des Ortes ein.

Die Installation verband die charakteristischen Strategien im Wirken Daniel Burens, in dessen Mittelpunkt die Arbeit „in situ“ (vor Ort) steht. Indem er seine Werke speziell für bestimmte Orte, Situationen oder Zeiträume schafft, strebt Buren eine Einheit von Werk und Schauplatz an. Anders als bei der musealen Ausstellung wird der Ort der Werkentstehung durch den unmittelbaren Eingriff identisch mit dem Ort der Präsentation. Mit diesem Ansatz stellt sich Buren dem Anspruch auf Dauerhaftigkeit entgegen. Folgerichtig verschwand seine Travail in situ, Münster 1997 nach Ausstellungsende wieder aus dem Stadtbild.

Julius Lehmann

¹ Daniel Buren, „Wie ein Palimpsest oder Die Metamorphose eines Bildes“. In: Klaus Bußmann, Kasper König und Florian Matzner (Hg.), Skulptur. Projekte in Münster 1997, Ausst.-Kat.: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Ostfildern-Ruit 1997, 80.